Stadtwerke-Vorstand Claus-Peter Horst (rechts) begrüßte Andreas Roskam (Mitte) und Timo Wölken im Zollhaus-Café.

"Kooperationsmodell Trinkwasserschutz" als wichtigstes Werkzeug

Auf Einladung der Stadtwerke Leer referierten jetzt NLWKN-Experte Andreas Roskam und EU-Palamentarier Tiemo Wölken vor gut 30 Gästen im Zollhaus-Café. Es ging vor allem um das Thema Trinkwasserschutz.

Leer – Die Botschaft, die Andreas Roskam am Montagabend für die gut 30 Gäste im Zollhaus-Café hatte, war unmissverständlich: Es besteht dringender Handlungsbedarf, wenn es darum geht, unser Grundwasser besser zu schützen. Gründe dafür lieferte der Experte vom Gewässerkundlichen Landesdienst im Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zuvor in seinem Vortrag zum Thema „Pflanzenschutzmittel im Grundwasser Niedersachsens – Wirkstoffe und Metaboliten, Daten 2000 bis 2016“. Eingeladen hatten ihn dazu die Stadtwerke in Leer.

Die Auswertung von fast 6000 Messstellen in Niedersachsen hatte zum Teil sehr deutliche Ergebnisse geliefert. An über 14 Prozent der Messstellen waren Pflanzenschutzmittelwirkstoffe oder relevante Metaboliten – Abbauprodukte, die noch pestizid wirksam und human- und ökotoxikologisch bedenklich sind – nachgewiesen worden. Während sich die nicht relevanten Metaboliten (Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln, die keine Pestizidwirkung oder Toxizität mehr aufweisen) an gut 58 Prozent der Messstellen nachweisen ließen (Mehrfachnennung bei Belastungen mit Wirkstoffen und nicht relevanten Metaboliten), blieben lediglich gut 39 Prozent des gesamten ausgewerteten Messstellenbestandes ohne einen Pflanzenschutzmittelbefund. (Weitere Detail-Informationen sind im Untersuchungsbericht nachzulesen: https://www.nlwkn.niedersachsen.de/jb2020/pflanzenschutzmittel-und-metaboliten-im-grundwasser-niedersachsens-192288.html)

Roskam gab einem Besucher recht, der betont hatte, dass man für die Ergebnisse der Untersuchung nicht pauschal die Landwirtschaft verantwortlich machen könnte. Der NLWKN-Experte erklärte, dass es zwar „Zusammenhänge zu Emissionen aus der Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Fruchtarten - beispielsweise Mais, Rüben und Raps mit entsprechenden Schwerpunkten bei den Mittel-Indikationen“ gebe. Allerdings sprach er auch kritisch über Herbizid-Spritzungen auf Gleistrassen durch die Bahn und andere Streckennetzbetreiber sowie „von Anwendungen in Gartenbaubetrieben, Baumschulen, vereinzelt in der Forstwirtschaft und insbesondere auch von rechtlich unzulässigen privaten Anwendungen – zum Beispiel auf befestigten Flächen oder Grabenböschungen. Er verwies in seinem Vortrag auf die gesellschaftliche und gesetzgeberische Verantwortung – so unter anderem in den Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen, die wesentlich deutlicher auf die Belange des Grundwasserschutzes abzustellen seien. Roskam nannte verschiedene Handlungsoptionen, um gegenzusteuern - von der Verbesserung der Zulassungs- und Marktsituation über die Einführung von geeigneten Zulassungsverfahren bei Bioziden, die zum Beispiel auch in Baustoffen eingesetzt werden, bis hin zur deutlichen Integration von Belangen des Grundwasser- und damit des Trinkwasserschutzes im Pflanzenbau.

Als „wichtigstes Instrument“ in Ostfriesland bewertete er das seit 28 Jahren bestehende „Kooperationsmodell Trinkwasserschutz“ zwischen Wasserversorgern und Landwirtschaft. Beide Seiten arbeiteten gemeinsam sehr vertrauensvoll und effektiv an der Verminderung von stofflichen Einträgen in das Grundwasser – seit einigen Jahren auch an der Reduzierung von Pflanzenschutzmittel-Emissionen.

EU-Parlamentarier Tiemo Wölken (SPD) ging in seinem Vortrag auf verschiedene Aspekte zum Thema Wasser ein – und hob zunächst hervor, dass das EU-Parlament rechtzeitig ein „Stop-Schild“ gesetzt habe, als es um die Diskussion ging, die Trinkwasserversorgung zu privatisieren. Dafür gab es großen Beifall. „Wasser darf nicht ein Produkt von privatrechtlichen Unternehmen werden“, pflichtete ihm Stadtwerke-Vorstand Claus-Peter Horst bei.

„Wie können wir Wasser speichern?“: Das ist die Frage, die Wölken derzeit mit Blick auf den Klimawandel und die damit verbundenen Dürre-Phasen in den Vordergrund rückt. Je mehr Flächen versiegelt seien, desto schneller versage mittlerweile das Wassersystem. Er sieht eine dringende Aufgabe darin, „dass alle gemeinsam an einem neuen Wassermanagement arbeiten“. Mit Sorge betrachtet er auch die Problematik von Arzneimittelrückständen im Abwasser, zumal nach Schätzungen in den nächsten Jahren rund 45 Prozent mehr Medikamente auf den Markt kommen werden. Das bedeute einen höheren Aufwand für die Kläranlagen, um die Rückstände aus dem Abwasser herauszufiltern. Das erhöhe die Kosten. Für ihn sei klar, „dass das Verursacherprinzip gelten muss“.

Sehr positiv bewertet Wölken dagegen die vom EU-Parlament vor einem Jahr aktualisierte Trinkwasserrichtlinie. Diese bedeute, „dass wir überall in Europa Trinkwasser bedenkenlos trinken können“. Laut der Europäischer Wasserrahmenrichtlinie sei Wasser das wichtigste Lebensmittel. „Es ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt und verteidigt werden muss“, zitierte Wölken die Präambel.